Widerrufsrecht beim Verbraucherbauvertrag

Privatpersonen haben nach Abschluss eines Bauvertrages ein gesetzliches Widerrufsrecht. Das kann Handwerksbetriebe auch nach einem Jahr noch den kompletten Lohn kosten.

Seit 01.01.2018 gelten für Verbraucherbauverträge neue Regelungen: Schließt eine Privatperson („Verbraucher“) mit einem Unternehmer einen Vertrag über den Bau eines neuen Gebäudes oder über erhebliche Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude ab, ist dies ein Verbraucherbauvertrag. Dann muss der Vertrag mindestens in Textform vorliegen. Der Austausch per Email/Telefax genügt. Unterschriften sind nicht erforderlich (aber natürlich empfehlenswert).

Völlig neu ist die Regelung zum Widerrufsrecht: Der Auftraggeber (als Verbraucher) kann seine Erklärungen widerrufen (also untechnisch vom Vertrag „zurücktreten“). Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Die Frist beginnt mit Vertragsschluss; allerdings nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt hat. Ohne Belehrung über das Widerrufsrecht kann ein Jahr lang der Widerruf erklärt werden.

Ein ähnliches Widerrufsrecht kann Verbrauchern aber auch bei anderen Werkverträgen zustehen, vor allem bei Verträgen, die nur „kleinere“ Arbeiten im oder am Haus betreffen. Hier bestehen die allgemeinen Widerrufsrechte für Verträge, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden oder die ausschließlich unter Verwendung von „Fernkommunikationsmitteln“ (Telefon, Fax, Email) abgeschlossen werden. Darunter fallen vor allem telefonisch oder „kurzerhand auf der Baustelle“ vereinbarten Nachträge. Auch hier beginnt die Widerrufsfrist nicht vor Erhalt einer vollständigen Widerrufsbelehrung.

Aus Sicht eines Unternehmers gilt deshalb: Jeder Werkvertrag sollte vorsorglich mit einer Widerrufsbelehrung versehen werden. Der Inhalt der Widerrufsbelehrung sollte den gesetzlichen Vorgaben entsprechen (z.B. in Art. 246a oder Art. 249 EGBGB). Mit ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung des Verbrauchers wird die Widerrufsfrist in Gang gesetzt, so dass nach 14 Tagen ein rechtssicherer, unwiderruflicher Vertrag vorliegt. Erst dann sollte mit Arbeiten begonnen werden.

Liegt keine Widerrufsbelehrung vor (oder ist die vorliegende Widerrufsbelehrung nicht gesetzteskonform) besteht das Widerrufsrecht bis zum Ablauf eines Jahres nach Vertragsschluss. Übt der Verbraucher sein Widerrufsrecht aus, sind nach dem Wortlaut der deutschen Gesetze die „erbrachten Leistungen zurückzugewähren“. Für den Verbraucher bedeutet dies entweder Herausgabe der erhaltenen Werkleistung oder – soweit dies nicht möglich ist – Wertersatz. Der Europäische Gerichtshof hat aber zuletzt entschieden, dass wegen Artikel 14 der Verbraucherrechtsrichtlinie jegliche Wertersatz- oder Ausgleichsansprüche des Unternehmers ausgeschlossen sind. Damit sind „offene Widerrufsrechte“ für den Werkunternehmer eine existenzbedrohende Gefahr. Für den Verbraucher bedeutet das „offene Widerrufsrecht“ eine zusätzliche Möglichkeit, sich bei Gewährleistungsfällen/Mängeln zu wehren: Durch Erklärung des Widerrufs ist der Vertrag „ohne wenn und aber“ rückabzuwickeln. Jeder Streit über Mängel wird gegenstandslos.

Gegen diese tiefgreifenden Folgen können sich Handwerker absichern, in dem sie

  • grundsätzlich jeden Vertrag und jeden Nachtrag schriftlich und mit Widerrufsbelehrung vereinbaren
  • sicherstellen, dass Verträge/Nachträge erst unterzeichnet werden, wenn der Verbraucher außreichend Zeit hatte, ein schriftliches Angebot zu überdenken (Hintergrund ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 06.07.2023, wonach ein Widerrufsrecht ausgeschlossen ist, wenn vor Vertragsabschluss für den Verbraucher keine Druck- und Überraschungssituation bestanden hat)
  • nach ausgeübtem Rücktrittsrecht den Rückbau der erbrachten Leistungen ankündigen und durchführen (scheidet aber als Option jedenfalls dann aus, wenn Ausbau/Rückbau nicht zerstörungsfrei möglich sind, z.B. bei Heizschlangen einer Fußbodenheizung)

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