Betriebsschließung wegen Corona – Versicherung muss zahlen!

Nach dem Lockdown können für Unternehmer Ansprüche gegen die eigene Versicherung bestehen.

Das Landgericht München I hat eine Versicherung zur Zahlung wegen coronabedingter Betriebsschließung verurteilt. Geklagt hatte die Betreiberin eines Münchener Gasthauses. Sie erstritt fast 430.000 Euro.

Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hatte den klägerischen Betrieb ab dem 21.03.2020 aufgrund des Coronavirus geschlossen. Auf die Rechtsform und die Rechtmäßigkeit der Anordnung komme es für die Einstandspflicht der Versicherung nicht an, stellte das LG zunächst klar. Dass das Coronavirus nicht im Betrieb des Klägers aufgetreten ist, stehe dem Anspruch ebenfalls nicht entgegen. Denn nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) sei allein maßgeblich, dass der Betrieb aufgrund des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) geschlossen wurde. Ein Außerhausverkauf sei dagegen lediglich ein vollkommen untergeordnetes Mitnahmegeschäft. Das ist keine unternehmerische Alternativ, auf die sich ein Versicherungsnehmer verweisen lassen muss.

Der Versicherungsumfang wurde – entgegen der Ansicht der beklagten Versicherung – auch nicht wirksam eingeschränkt. Denn die von der Beklagten in § 1 Ziffer 2 AVB verwendete Klausel sei intransparent und daher unwirksam. Dem Versicherungsnehmer müsse, wenn der Versicherungsschutz durch eine AVB-Klausel eingeschränkt wird, deutlich vor Augen geführt werden, in welchem Umfang Versicherungsschutz trotz der Klausel besteht, unterstreicht das LG. Diesen Anforderungen werde § 1 Ziffer 2 AVB nicht gerecht. Der Versicherungsnehmer gehe auf Basis des Wortlauts der AVB davon aus, dass der Versicherungsschutz dem Grunde nach umfassend ist und sich mit dem IfSG deckt und in § 1 Ziffer 2 AVB eine bloße Wiedergabe der gesetzlich erfassten Krankheiten und Krankheitserreger erfolgt. Dass die Auflistung der Krankheiten und Krankheitserreger in § 1 Ziffer 2 AVB jedoch im Vergleich zum IfSG unvollständig ist, sei für den Versicherungsnehmer nicht naheliegend. Denn eine klare und deutliche Formulierung – wie zum Beispiel „nur die folgenden“, „ausschließlich die folgenden“ oder „diese Auflistung ist abschließend“ – enthalte die Klausel nicht. Um den wahren Gehalt des Versicherungsschutzes zu erfassen, müsste der Versicherungsnehmer letztlich die Auflistung in § 1 Ziffer 2 AVB Wort für Wort mit der aktuellen geltenden Fassung des IfSG vergleichen. Eine Klausel, deren Tragweite nur durch den Vergleich mit einer gesetzlichen Vorschrift erkennbar wird, die der durchschnittliche Versicherungsnehmer dieser Versicherung nicht kennt, sei jedoch intransparent.

Im Hinblick auf die Höhe der zu zahlenden Entschädigung seien weder Kurzarbeitergeld noch staatliche Corona-Liquiditätshilfen anspruchsmindernd zu berücksichtigen, meint das LG. Denn hierbei handele es sich nicht um Schadenersatzzahlungen gerade für die Betriebsschließungen.

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