Ablauf eines Strafverfahrens

Als Laie hat man meist keine Vorstellung davon, wie ein Strafverfahren abläuft. Insbesondere über die Hauptverhandlung gibt es - vermittelt durch die Gerichtsshows - ein Bild, das mit der Wirklichkeit wenig zu tun hat.

1. Ermittlungsverfahren

Ein Ermittlungsverfahren beginnt meist durch eine Strafanzeige gegen eine bestimmte Person. Die Polizei muss nun gegen die beschuldigte Person ermitteln. Unter Umständen wird auch von Amts wegen ermittelt, weil Polizei oder Staatsanwaltschaft einen Anfangsverdacht für eine begangene Straftat bekannt wird.

Als beschuldigte Person erhalten Sie eine schriftliche Vorladung zu einer Beschuldigtenvernehmung.

Wichtig: Einer solchen Vorladung müssen Sie nicht Folge leisten und sollten es auch nicht tun! Das Schweigerecht ist eines der wichtigsten Rechte eines Beschuldigten. Es hat für Sie keine Nachteile, wenn Sie dieses Recht in Anspruch nehmen. Es ist immer ratsam, zunächst einen Strafverteidiger Einsicht in die Ermittlungsakte nehmen zu lassen und so klären zu lassen, was Ihnen genau vorgeworfen wird und welche Beweismittel es gibt.

In diesem Stadium des Verfahrens sage ich als Verteidiger den Vernehmungstermin ab und verweise auf Ihr Schweigerecht. Ich beantrage Akteneinsicht und bespreche nach Auswertung der Akte das weitere Vorgehen mit Ihnen. Wenn es sich anbietet, werde ich eine Einstellung des Verfahrens anregen und eine entsprechende Stellungnahme bei der Staatsanwaltschaft abgeben. Im Ermittlungsverfahren bestehen die größten Einflussmöglichkeiten für die Verteidigung. Am Ende des Ermittlungsverfahrens muss die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob sie Anklage erhebt oder sie das Verfahren einstellt.

2. Zwischenverfahren

Im Zwischenverfahren entscheidet das Gericht, ob es die Anklage zulässt und das Hauptverfahren eröffnet. Das Gericht prüft, ob Verfahrenshindernisse vorliegen und ob alle Verfahrensvoraussetzungen gegeben sind. Das Gericht prüft auch, ob die Anklageschrift den gesetzlichen Anforderungen genügt. Am Ende des Zwischenverfahrens entscheidet das Gericht, ob es das Hauptverfahren eröffnet (dann erlässt es einen Eröffnungsbeschluss) oder ob es die Eröffnung ablehnt.

Im Zwischenverfahren überprüfe ich die Anklageschrift und beantrage gegebenenfalls, die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen. Unter anderem überprüfe ich, ob die angeklagte Tat verjährt ist und ob die Anklageschrift die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. In einigen Fällen kann auch im Zwischenverfahren erreicht werden, dass das Verfahren eingestellt wird.

3. Hauptverfahren

Im Hauptverfahren findet die mündliche Verhandlung gegen den Angeklagten statt. Zu einer solchen Verhandlung werden Sie als Angeklagter geladen und müssen grundsätzlich auch erscheinen. In der Hauptverhandlung können Sie als Angeklagter Angaben zur Sache machen oder von Ihrem Schweigerecht Gebrauch machen. Sie sind lediglich verpflichtet, Angaben zur Person (Name, Alter, Wohnort) zu machen. Nach den Angaben zur Person verliest die Staatsanwaltschaft die Anklage. Sofern der Angeklagte Angaben zur Sache macht, erfolgt dessen Vernehmung. Danach erfolgt die Beweisaufnahme. Hier werden Zeugen vernommen, eventuell Sachverständige gehört und Urkunden verlesen. Nach der Beweisaufnahme halten Staatsanwaltschaft und Verteidiger ihre Schlussvorträge; anschließend hat der Angeklagte das letzte Wort. Danach wird das Urteil verkündet und mündlich kurz begründet. Das ausführliche schriftliche Urteil folgt einige Wochen später.

Ich bereite Sie auf die Hauptverhandlung vor. Wir besprechen, ob Sie vom Schweigerecht Gebrauch macht oder sich zur Sache einlassen. Eine Einlassung wird vorher ausführlich besprochen. In der Hauptverhandlung kann ich Beweisanträge stellen und Erklärungen abgeben. Ich befrage die Zeugen und versuche, etwaige Widersprüche in den Aussagen aufzudecken. Sollte es sich anbieten, so kann ich auch während der Verhandlung anregen, dass das Verfahren eingestellt wird.

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